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02 | DIVERSITÄT

AUSGANGSLAGE                                      In Zeiten großer Zuwanderung wird die
                                                  Akzeptanz von Vielfalt durch die Aufnahme­
Vielfalt kann für eine Gesellschaft sowohl eine   gesellschaft auf die Probe gestellt. In Öster-­
Bereicherung als auch eine Herausforderung        reich werden kulturelle und religiöse
sein. Die Entwicklungen der letzten Monate        Vielfalt in der Bevölkerung ambivalent wahr­
(z. B. Frankreich, Belgien, Deutschland u. Ä.)    genommen. Mit Migration wird nicht nur Mitleid
zeigen, dass Vielfalt ohne verbindende Elemente   (z. B. gegenüber Menschen auf der Flucht),
die Gesellschaft anfällig für ein Auseinander­    sondern auch Angst um die eigene kulturelle
driften macht und zur Rückbildung des sozialen    Identität verbunden. Migration allein erhöht
Zusammenhalts führen kann. Migrantinnen und       nicht zwangsläufig die Diversität, z. B. wenn
Migranten bringen aus ihren Herkunftsländern      Zuw­ anderung bloß aus einer oder wenigen
mitunter Normen und Werte mit, die von einer      bestimmten Herkunftsregionen erfolgt oder
liberalen, religionsneutralen Gesellschaft        in Österreich ungleich verteilt ist. Es kommt
ab­weichen. Dies gilt für den Stellenwert der     daher stets auf eine ausgewogene Zusammen-
Relig­ ion, für das Verhältnis zwischen Mann      setzung innerhalb einer Gesellschaft an,
und Frau oder für die Stellung des Mannes         etwa im Hinblick auf Geschlecht, Alter oder
innerhalb von Familie und Gesellschaft.           Herkunft. Gemeinsame Grundwerte und
                                                  Solidarität sind die Grundlagen für Stabilität,
Diversität bezeichnet Unterschiede zwischen       Sicherheit und Wohlstand in Österreich und
Gruppen und Menschen – so etwa in den             damit die Säulen des sozialen Friedens.
Kernd­ imensionen Alter, Geschlecht, sexuelle
Orientierung, religiöse oder kulturelle Zuge­     Diversität ist eine Chance für mehr Inno­
hörigkeit sowie Behinderung. Diversitäts­         vationskraft in unserer Wissensgesellschaft.
management verfolgt das Ziel, die (kulturelle)    Moderne Wissens- und Dienstleistungs­
Identität des jeweiligen Gegenübers zu achten     gesellschaften haben gezeigt, dass sie bei
und dadurch die Vorteile, die Vielfalt mit sich   entsprechenden Rahmenbedingungen
bringen kann, für die Gesellschaft nutzbar        imstande sind, Raum für Vielfalt und Platz
zu machen. Der Umgang mit Diversität ist eine     für Tradition gleichermaßen zu ermöglichen.
gesamtgesellschaftliche Angelegenheit, die
nicht nur für staatliche Institutionen oder       Der Rückgang der natürlichen Reproduktions­
große Unternehmen gilt, sondern jede und jeden    raten in Kombination mit starker Zuwanderung,
Einzelnen fordert.                                die auf wenige Nationalitäten beschränkt ist,
                                                  kann unter ungünstigen Bedingungen das
Die Fokussierung auf Diversität hat aber          Entstehen von Parallelgesellschaften verstärken.
auch Grenzen: Werden Personen durch Über­         Dies kann die verschiedenen positiven Aspekte
betonung von einzelnen Diversitätsmerkmalen       von Diversität zurückdrängen und in einer
ausschließlich darauf reduziert, droht Stig­      Polar­ isierung zwischen Aufnahmegesellschaften
matisierung. Ziel muss es daher sein, Diversität  und Parallelgesellschaften münden. In der
bestmöglich in die jeweilige Organisation         Folge können sogar wichtige gesellschaftliche
einz­ ubringen und dadurch einen Beitrag zum      Er­rungenschaften auf dem Gebiet der Grund-
gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten.       rechte (z. B. Gleichstellung von Mann und Frau)
                                                  infrage gestellt werden.

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