Page 92 - Flipbook
P. 92

08 | Öffentliche Sicherheit und staatliche Institutionen

funktional ausgestattet, werden aber von der       gefährden die Stabilität und Sicherheit in Öster-
aktuellen Fluchtmigration, die um mehr als das     reich und Europa. Die irreguläre Migration
Zehnfache über die langjährigen Durchschnitts-     nach und quer durch Europa führt zu großem
werte hinausgeht, übermäßig in Anspruch            menschlichen Leid der Betroffenen, aber auch
genommen. Das komplexe System des Fremden-         zu wachsender Sorge in der Bevölkerung. Sie
wesens beansprucht zudem im Bereich der            steht auch nicht im Einklang mit den ursprüng­
Polizei wertvolle personelle und materielle        lichen Ziel­setzungen der 1951 beschlossenen
Ressourcen. Dies führt dazu, dass die polizei­     und 1954 in Kraft getretenen Genfer Flüchtlings­
lichen Kernaufgaben der Aufrecht­erhaltung der     konvention. Deren Schöpfer und Weiterentwickler
öffentlichen Sicherheit und der Strafverfolgung    konnten im Jahre 1951 beziehungsweise 1967
nicht mehr im gebührenden Ausmaß bewältigt         weder die Möglichkeiten der Mobilität noch die
werden können.                                     Methoden der Kommunikation der Gegenwart
                                                   und somit auch nicht die Gefahren organisierter
Staatliches Migrationsmanagement ist eine          transkontinentaler Schlepperei vorhersehen.
gesamtstaatliche Aufgabe, die von gesamtgesell­-
schaftlicher Grundakzeptanz begleitet werden       STRATEGISCHE ZIELE
muss. Ihre Bewältigung erfordert ein weit höheres
Ausmaß an Kooperation, als es zurzeit vorgesehen   RECHTSRAHMEN UND INNERSTAATLICHE
ist bzw. praktiziert wird. Gerade in der Flücht-
lingskrise vom Herbst 2015 hat sich gezeigt, dass  KOOPERATIONEN
überproportional große Herausforderungen nur
durch enges Zusammenwirken von staatlichen         •	Auf europäischer Ebene braucht es eine
Akteuren und Organisationen der Zivilgesell-
schaft bewältigt werden können. Vor dem Hinter-       weitere Harmonisierung bzw. Vereinheit­
grund der föderalen Struktur Österreichs stellt       lichung des Migrations- und Asylrechts unter
die innerstaatliche Migrations- und Asylpolitik       Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips,
eine „Querschnittsaufgabe“ dar.                       die Beendigung der Zersplitterung durch
                                                      die Einführung einer Richtlinien- und Verord-
Teile der Aufnahmegesellschaften in den               nungen-Sammlung (europäischer Migrations-
europäischen Zielregionen gegenwärtiger               kodex) sowie die Etablierung gemeinsamer
(Massen-)Migration drohen in Polarisierung,           europäischer Behörden­strukturen zur
Extremisierung und Radikalisierung abzu­gleiten.      Verhinderung unterschiedlicher Vollzugs­
Der internationale islamistische Terrorismus          praktiken in den einzelnen Mitgliedstaaten.
gefährdet Österreich und Europa. Radikale
Strömungen missbrauchen Religion, um               •	Auf nationaler Ebene bedarf es der Verein­
Menschen für ihre Zwecke zu verführen.
Gleichzeitig bereitet Perspektivenlosigkeit den       fachung, Rechtsbereinigung und Systemati­
Nährb­ oden für Kriminalität. Insbesondere junge,     sierung mit dem Ziel eines österreichischen
betätigungslose Männer sind für Kriminalität          Migrationsgesetzbuchs, in welchem alle
bzw. Radikalisierung anfällig. Verwerfungen           Teilbereiche des Fremdenrechts (Asyl,
und Umwälzungen in bestimmten Weltregionen            Grundversorgung, Fremdenp­ olizei, Nieder­
                                                      lassungs- und Aufenthaltsrecht, Ausländer­
                                                      beschäftigungsrecht, Verleihung der Staats-
                                                      bürgerschaft und verfahrensrechtliche

60
   87   88   89   90   91   92   93   94   95   96   97