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08 | Ö FFENTLICHE SICHERHEIT UND
      STAATLICHE INSTITUTIONEN

AUSGANGSLAGE                                        den österreichischen EU-Schengen-Binnengrenzen
                                                    zu ersetzen haben. Auch in Bezug auf die Auf-
Migration, die als Chance für die Gesellschaft      nahme von Asylwerberinnen und Asylwerbern
genutzt wird, trägt zur demographischen             ist eine im EU-Vergleich weit überp­ roportionale
Stabilität und sozioökonomischen Prosperität        Belastung Österreichs festzustellen. So lag
der Aufnahmegesellschaft bei. Das sind wichtige     Österreich im Jahr 2015 mit 10,3 Asylanträgen
gesellschaftliche Grundlagen für Sicherheit.        pro 1.000 Einwohnern an vierter Stelle der
                                                    EU-Mitgliedstaaten und hatte mit insgesamt
Migration kann aber auch – z. B. bei starker        88.160 Anträgen in etwa ebenso viele Asylanträge
Zuwanderung innerhalb eines kurzen Zeitraums        zu verzeichnen wie die 18 am wenigsten
– eine große Herausforderung für öffentliche        belasteten Mitgliedstaaten zusammen.
Sicherheit und stabile staatliche Institutionen
darstellen. Auch wirtschaftlich leistungsstarke     Das österreichische Fremdenrecht ist ein hoch-
Staaten können durch Migration an ihre Grenzen      komplexes Regelungsgeflecht. Dazu tragen
geraten. Der Erhalt des sozialen Friedens ist eine  neben der hohen Anzahl der inhaltlich verknüpften
Kernaufgabe staat­licher Politik. Wesentliche       staatlichen Vorschriften (Asyl­gesetz, BFA-
Voraussetzungen für sozialen Frieden sind           Einrichtungsgesetz, BFA-Verfahrensgesetz,
öffentliche Sicherheit und das Funktionieren        Grundversorgungsvereinb­ arung, Grundver­
staatlicher Institutionen. Öffentliche Sicherheit   sorgungsgesetz Bund, Fremdenpolizeigesetz,
ist somit kein Selbstzweck, sondern dient dem       Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, Aus­
Wohl aller Menschen. Dabei darf nicht übersehen     länderbeschäftigungsgesetz, Staatsbürger-
werden, dass Sicherheit umfassend beeinflusst       schaftsgesetz, zahllose Verordnungen) auch
wird, etwa von der Arbeitsmarkt- und Wirtschafts-­  weitreichende völkerrechtliche und europarecht-
lage, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und       liche Vorgaben sowie die umfangreiche Judikatur
dem sozialen Gefüge.                                der öster­reichischen Höchstgerichte, des
                                                    Gerichtshofs der Europäischen Union und des
Auf gesamteuropäischer Ebene bestehen mit           Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei.
Blick auf Fremden-, Asyl- und Migrations­politik
strukturelle Funktionsdefizite: Die Institutionen   Auch im Vollzug des Fremdenrechts zeigen
der Europäischen Union wurden von den Mit-          sich punktuell Reibungsverluste. So behindern
gliedstaaten weder rechtlich noch organi­           unterschiedliche Zuständigkeiten abschnitts­
satorisch in die Lage versetzt, die (gemäß der      weise – etwa in den Bereichen Zuwanderung
Logik des Schengen-Systems und auch des             von Schlüsselkräften oder Entwicklungszusam-
Subsidiaritätsprinzips) der Sache nach gesamt-      menarbeit – die Fortentwicklung bestehender
europäische Aufgabe des Fremden-, Asyl- und         Rechtsins­trumente bzw. eine koordinierte
Migrationsmanagements zu leisten. Diese             Vorgehensweise. Die zuständigen österreichi-
gesamteuropäischen Defizite führen zu einer         schen Behörden sind zwar für den langjährig
zunehmenden Überbelastung der öster­                erwartbaren Administrationsaufwand
reichischen Fremden- und Sicherheitsbeh­ örden.
Die Überbelastung ergibt sich dadurch, dass
diese teilweise Grenzsicherungsaufgaben an

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