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10 | G ESTALTUNG DES MIGRATIONS-
      SYSTEMS IN ÖSTERREICH

AUSGANGSLAGE                                        die Vorgänger­regelung. Sie hat sich – auch, wenn
                                                    sie den hohen Erwartungen nicht gerecht wurde
Migration beeinflusst alle Politikbereiche.         – bewährt. Die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ verfügt jedoch
Migrationspolitik ist daher eine gesamt­staatliche  über weiteres Potenzial, nachhaltig zur Attrak­
Aufgabe, die in jedem Politikbereich zu berück-     tivierung des Wirtschafts- und Forschungsstand-
sichtigen ist. Aufgrund der in den vorliegenden     orts Österreich im Ausland beizutragen. Ein
Teilberichten des Migrationsrats getroffenen        wesentlicher Teil der Zuwanderung erfolgt
Feststellungen und Schluss­folgerungen können       im Rahmen des unionsrechtlichen Aufenthalts-
konkrete Empfehlungen zur Weiterentwicklung         rechts. Mit Stichtag 1. Jänner 2016 waren
des gesamtstaatlichen Migrationssystems             nahezu 50 % der ausländischen Wohnbevölkerung
gegeben werden. Zu berücksichtigen sind dabei       in Österreich Unionsbürger beziehungsweise
insbesondere im Bereich des Flüchtlingsrechts       Bürger sonstiger Staaten des Europäischen
europäische und internationale Vorgaben. Je         Wirtschaftsraums oder der Schweiz. Dies ist eine
nach Migrationsphänomen (Asyl, legale und           Folge der unionsrechtlich garantierten Personen-
irreguläre Migration) sind die Steuerungsmög-       frei­zügigkeit. Da Österreich in diesem Bereich
lichkeiten sehr unterschiedlich bzw. nur sehr       nur sehr eingeschränkt und bloß indirekt (z. B.
eingeschränkt vorhanden. Diese Steuerungs-          über die Attraktivität des Arbeits- und Sozial­
möglichkeiten gilt es gezielt zu nutzen. Zwischen   bereichs) steuernd eingreifen kann, sind
den unterschiedlichen Migrationsphänomenen,         Handlungso­ ptionen, die den Zuzug künftiger
deren Wechselwirkungen zu berücksichtigen           Leistungst­räger fördern, auszuloten.
sind, ist insbesondere bei Beschäftigungsthemen
konsequent zu differenzieren.                       Die Fluchtmigration des vergangenen Jahres
                                                    hat gezeigt: Wer in der Europäischen Union
Legale Migration – und hier insbesondere            Freizügigkeit befürwortet, muss zugleich zu
Arbeitsmigration – muss auch in Zeiten der          einem effektiven Schutz der EU-Außengrenzen
„Flüchtlingskrise“ als gewollte und positive        beitragen. Andernfalls wird dem Grundgedanken
Zuwanderungsform gesehen werden. Sie nimmt          der Union nicht entsprochen und es werden
in einer Migrationsstrategie, die Sicherheit,       nationalstaatliche, protektionistische Grenz-
Stabilität und Wohlstand in den Mittelpunkt         schutzmodelle verstärkt wirksam werden.
stellt, eine zentrale Stellung ein. Zentrales
Steuerungselement im Bereich der Arbeits-
migration ist das im Jahr 2011 eingeführte,
kriteriengeleitete Zuwanderungssystem in Form
des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte“.
Dieser wird drittstaatsangehörigen qualifizierten
Arbeitskräften in verschiedenen Kategorien
erteilt (besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte
in Mangelberufen, sonstige Schlüssel­kräfte,
Absolventinnen und Absolventen inländischer
Hochschulen und selbständige Schlüsselkräfte).
Die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ wurde von Beginn an
rund doppelt so oft in Anspruch genommen wie

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