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06 | GESUNDHEIT UND PFLEGE

AUSGANGSLAGE                                        Beim Gesundheits- und Pflegepersonal
                                                    zeichnen sich zwei Tendenzen ab: Es besteht
Gesundheit und Pflege befinden sich im              ein steigender Bedarf vor allem an Pflege­
Umbruch. Krankenkassen mussten in den               personal, der u. a. durch zusätzliches
vergangenen Jahren wiederholt Bilanzdefizite        ausländisches Personal gedeckt werden kann.
verzeichnen und passen ihre Leistungen laufend      Gleichzeitig ist vor allem im medizinischen
an neue Herausforderungen an. Nicht nur in          Bereich die Auswanderung von Personal in
ländlichen Regionen, sondern auch in Ballungs-      Länder mit besseren Arbeitsbedingungen und
räumen ist ein Ärztemangel absehbar. Spitäler       höheren Gehältern zu beobachten. So wandern
werden sowohl im ambulanten als auch im             vermehrt in Österreich ausgebildete Ärztinnen
stationären Bereich stark frequentiert. Der         und Ärzte nach Deutschland und in die Schweiz
Sozialstaat Österreich muss sich angesichts der     aus. Betrachtet man die Europäische Union
Bevölkerungsentwicklung auf geänderte Grund-        insgesamt, so wird bis zum Jahr 2020 ein
lagen für die Finanzierung von Gesundheit und       Mangel von ein bis zwei Millionen Arbeits­kräften
Pflege einstellen: Der relative Anteil der 15- bis  in den Bereichen Gesundheit und Pflege erwartet.
64-Jährigen potenziellen Beitrags­zahlenden         Waren in Österreich im Jahr 2014 noch rund
in die Sicherungssysteme nimmt ab, während der      1,6 Millionen Menschen 65 Jahre oder älter, so
Anteil der 65+-Jährigen potenziellen Leistungs-     werden es im Jahr 2050 schon rund 2,7 Millionen
beziehenden an der Gesamtbevölkerung                Menschen sein. Damit wird auch der Teil der zu
zunimmt. Migration ist bei all diesen Verände-      pflegenden Menschen zunehmen und der Bedarf
rungen ein wichtiger Faktor: Sie kann die Sys­      an Pflegefach­kräften steigen. Für ganz Öster-
teme sowohl stützen und stabilisieren, als auch     reich wird bis zum Jahr 2020 der stärkste
aus der Balance bringen. Auch das österreichische   absolute Beschäftigungszuwachs aller Branchen
Gesundh­ eits­wesen ist immer stärker durch         für das Gesundheits- und Sozialwesen prognosti-
Globalisierung und Migration geprägt. Neben         ziert. Ob dieser Beschäftigungszuwachs in den
internationalem technischen und wissenschaft­       kommenden Jahren den tatsächlichen Bedarf
lichen Know-how-Transfer spielt auch die            decken wird, ist noch offen. Erwartet werden
grenzübers­ chreitende Inanspruchnahme von          zudem Anforderungssteigerungen im Bereich der
medizinischen Leistungen eine immer größer          24-Stunden-Betreuung. Entsprechende Bedarfs-
werdende Rolle. Diese Entwicklung im Rahmen         einschätzungen gibt es nur für wenige Bundes-
der fortschreitenden Globalisierung stellt einer-   länder. Eine bundesweite, umfassende Bedarfs-
seits einen entscheidenden Wirtschaftsfaktor        einschätzung liegt nicht vor.
dar, kann aber in manchen Bereichen auch eine
große Herausforderung für nationale Gesund-         Bei den Patientinnen und Patienten zeichnen sich
heitssysteme bedeuten.                              ebenfalls wesentliche Veränderungen ab. Durch
                                                    die erste Generation der sogenannten Gastar­
                                                    beiter, die in den 1960er- und 1970er-Jahren
                                                    nach Österreich kamen, wird der Anteil der
                                                    pflegebedürftigen Migrantinnen und Migranten
                                                    deutlich zunehmen.

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