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09 | Perspektiven der Migration in den Herkunftsregionen

Ebenso sind jedoch auch verschiedene negative    •	In bestimmten Herkunftsregionen fällen
Faktoren bzw. Auswirkungen auf nationalen
und globalen politischen, ökonomischen und          Menschen die sie oder ihre Kinder betreffenden
soziokulturellen Ebenen zu beobachten:              Bildungs- und Berufsentscheidungen ab­
                                                    hängig von den damit verbundenen Aussichten
•	Große und unvorhersehbare Auswanderungs-         auf Migrationsmöglichkeiten. Dies kann zu
                                                    einer einseitigen Ausrichtung der Bildungs­
   wellen können zu einem signifikanten „Brain      politik mancher Herkunftsstaaten führen.
   Drain“ beitragen (Verlust von qualifizierten
   Personen für die Wirtschafts- und Inno­       •	Organisierte Kriminalität, wie Menschen-
   vationskraft und in der öffentlichen Verwal-
   tung). Dies kann schlechte Regierungsführung     und Suchtmittelhandel, können Begleit­
   (Bad Governance) und Korruption fördern.         erscheinungen internationaler Migration
                                                    und Netzwerke sein. Dazu kommt, dass die
•	Remittances fließen oft nicht in nachhaltige     politischen Eliten in einzelnen Herkunfts­
                                                    regionen oft kein Interesse daran haben,
   Entwicklungen, sondern in den Konsum.            Auswanderungstendenzen eines Teils ihrer
   Außerdem können Remittances in den               eigenen Bevölkerung entgegenzuwirken.
   Herkunftsregionen Abhängigkeiten fördern.        Gründe dafür sind die mit Auswanderung
   Eine weitere Konsequenz von Remittances          verbundenen kurzfristigen ökonomischen
   kann das Anwachsen der Kluft zwischen            Vorteile (etwa Remittances) sowie der
   Arm und Reich sein.                              Umstand, dass abwandernde gebildete Bevöl-
                                                    kerungsschichten eher zu oppositionellem
•	Migration hat Auswirkungen auf familiäre         Engagement neigen.

   Strukturen in den Herkunftsregionen. Kinder   Nicht nur mit Blick auf Migration tragen die
   und ältere Menschen sind – mit allen psycho-  Industriestaaten und Dienstleistungsgesell­
   sozialen Folgen – von migrationsbedingter     schaften eine große Verantwortung. Der
   Trennung von ihren Familienangeh­ örigen      Raubbau von Ressourcen, die durch Umwelt­
   besonders betroffen. Dies kann in den         verschmutzung verursachten klimatischen
   Herkunftsregionen Kriminalität und Gewalt     Veränderungen und nicht zuletzt das Konsum-
   sowie in bestimmten Fällen den Anstieg        verhalten in den hochentwickelten Staaten
   von Kinderarbeit begünstigen. Abhängig von    sind mit erheblichen Auswirkungen auf die
   der Herkunftsregion kann die Emigration       Herkunftsregionen verbunden, die wiederum
   von Männern im Hinblick auf sozialen          zu Migration führen. Durch entwicklungs-,
   Status und Einkommen zu einer erhöhten        wirtschafts-, sicherheits- und außenpolitische
   Verletzlichkeit der zurückgelassenen          Anstrengungen, die im Optimalfall auf euro­
   Frauen und Kinder führen.                     päischer Ebene koordiniert werden, könnte
                                                 langfristig ein positiver Effekt für die Herkunfts-
                                                 regionen erzielt werden. Öffentlichkeitsarbeit
                                                 über entwicklungspolitische, sicherheitspoli­
                                                 tische und wirtschaftliche Zusammenarbeit
                                                 spielt dabei eine wichtige Rolle.

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