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05 | ARBEIT UND SOZIALES

AUSGANGSLAGE                                        Zuwanderung strategisch zu gestalten. Ange-
                                                    sichts der demografischen Entwicklung sind
Die Bereiche Arbeit und Soziales sind eng mit­      etwa für ein künftig ausgeglichenes Verhältnis
einander verwoben und stark von Migration           zwischen Beitragszahlenden und Leistungs­
geprägt. Migration hat wesentlichen Einfluss auf    empfangenden entsprechende Quantität und
den österreichischen Wohlfahrtsstaat und seine      Zusammensetzung der Zuwanderung notwendig.
Voraussetzungen. Erwerbstätige Menschen             Als nachteilig und nicht nachvollziehbar
finanzieren mit ihren Steuern und Abgaben die       empfundene Entwicklungen im Sozialwesen,
Systeme der sozialen Sicherheit. Nur dadurch        wie etwa die tatsächliche oder vermeintliche
können Sozialleistungen und Pensionen sicher-       Ungleichbehandlung von sozialen Gruppen,
gestellt werden. Gleiches gilt angesichts der       können den gesellschaftlichen Zusammenhalt
gegenwärtigen und prognostizierten demo­            bedrohen. Unterschiede in Qualität und
graphischen Entwicklungen in besonderem             Umfang der Leistungen der Sozialsysteme
Maße auch für Pensionen.                            der einzelnen EU-Mitgliedstaaten können,
                                                    verknüpft mit der Tatsache mangelnder europäi-
Die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt      scher Harmonisierung, eine ungleiche Lasten-
ist seit Längerem angespannt. Im Jahr 2015          verteilung unter den Mitgliedstaaten nach sich
betrug die Gesamtarbeitslosenquote 9,1 %.           ziehen. Diese strukturellen Schief­lagen sind von
Mit 13,5 % war die Arbeitslosigkeit von Personen    Sozialversicherungsmissbrauch abzugrenzen,
ohne österreichische Staatsbürgerschaft deutlich    da die Inanspruchnahme von Leistungen durch
höher als jene von Personen mit österreichischer    Einzelne rechtens ist.
Staatsbürgerschaft (8,1 %). Dennoch bleibt der
österreichische Arbeitsmarkt in unterschied­        STRATEGISCHE ZIELE
lichem Ausmaß auf Zuwanderung in verschie­
denen Qualifik­ ationsbereichen angewiesen.         ARBEITSMARKT
Dies ist nicht zuletzt wegen des prognostizierten
relativen Rückgangs der Bevölkerung im              •	Die Nachfrage am Arbeitsmarkt sollte
erwerbsfähigen Alter der Fall. Die Bevölkerung
im erwerbsfähigen Alter würde ohne Zuwan­              vorrangig aus dem vorhandenen Angebot
derung von derzeit 5,7 Millionen auf 4,1 Millionen     inländischer Arbeitskräfte gedeckt
im Jahr 2050 schrumpfen. Obwohl ein großer Teil        werden. Ein Mangel an Arbeitskräften
der Nachfrage zurzeit aus dem bestehenden              kann nur z. T. durch Migration gedeckt
Angebot an Arbeitskräften sowie aus zusätzlicher       werden. Sofern Arbeitskräfte aus dem
EU-Binnenmigration gedeckt werden könnte, ist          Ausland zur Deckung der Nachfrage nötig
die österreichische Wirtschaft auch auf Arbeits­       sind, sollten EU-Bürgerinnen und EU-
kräftezuwanderung aus Drittstaaten angewiesen.         Bürger in allen Qualifikationsbereichen
Österreich hat es bisher vera­ bsäumt, sich auf        im Rahmen der EU-Binnenmigration
Basis einer entsprechenden Strategie internatio-       verstärkt für den österreichischen Arbeits-
nal offensiv als attraktives Zielland für qualifi-     markt gewonnen werden.
zierte Erwerbstätige zu positionieren. Andere
Staaten haben dies getan und damit ihre Attrak­                                                                                  47
tivität für qualifizierten Zuzug gesichert. Auch
für die Zukunft des österreichischen Wohlfahrts­
staates ist es von großer Bedeutung,
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